Kunst im Frauenwald
„Kunst hält Wache“: Landsberger Kunstprojekt zum Thema Frieden
Kreisbote Landsberg, 16.01.20
Landsberg – Verlassene Fabrikgelände haben eine eigene Atmosphäre. Umso mehr, wenn es sich dabei um so einmalige Industrieanlagen handelt wie der Gebäudebestand im Landsberger Industriegebiet Frauenwald. Die über 100 Bauten aus NS-Zeiten sollten der Waffenproduktion dienen – und stehen damit exemplarisch für den Krieg. Zugleich aber auch für den Frieden, der seit dem 2. Mai 1945 in Deutschland herrscht. Diese 75 kriegsfreien Jahre will sich ein Kunstprojekt zum Thema machen. Arbeiten von rund 25 Künstlern vornehmlich aus dem Landkreis werden vom 30. April bis zum 10. Mai in der „Alten Wache“, dem Eingang zum Fabrikgelände, zu sehen sein. Kunst als Mahnmal für den Frieden. Unter dem Titel „Kunst hält Wache“.
In den Räumen der „Alten Wache“ grüßen alte Schränke, Sicherungskästen aus dem 3. Reich, bunte Kinderzeichnungen im Keller, Duschwände der 70er, an einer Stelle im zukünftigen Veranstaltungsraum wölbt sich das Parkett, ist gerissen, gibt einen Blick in das Darunter frei. Geschichte zum anfassen – eine Zeitkapsel. Die geplante Fabrik zur Nitrozellulose-Produktion ging nie in Betrieb. Die Gebäude standen größtenteils leer – 1957 ging das Gelände an die Bundeswehr, der erste Bewohner war der Förster, ein Herr Kaiser aus Ostpreußen; später soll es auch Sozialwohnungen gegeben haben. 1998 ging das Gelände an die Stadt über.
Flächen, die man nutzen kann, dachten sich der Issinger Künstler Franz Hartmann und sein Bruder Moritz in Landsberg. „Wir möchten das Kunstprojekt nicht als Geschichtsdokumentation“, betont Moritz Hartmann. „Auch wenn es schön wäre, wenn diese Dokumentation realisiert würde.“
„Die Idee, eine Ausstellung zum Thema Frieden zu machen, ist schon älter“, erzählt Franz Hartmann. „Jetzt haben wir die Möglichkeit dazu.“ Man wolle „raus aus dem musealen Rahmen“, die Kunst der Öffentlichkeit zugänglich machen. Und deshalb Gebäude ‚besetzen‘, die bisher künstlerisch ‚unbefleckt‘ sind. Zudem sollen Autoren, Schauspieler, Musiker für ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Vorträgen und Konzerten eingeladen werden. Mitorganisator des Projekts ist das Kulturbüro der Stadt Landsberg. Die Finanzierung läuft über Sponsoren, auch die Stadt beteilige sich. „Bei jedem, den wir auf das Projekt ansprechen, ist sofort Begeisterung zu spüren“, freut sich Franz Hartmann.
Fünf Räume sollen Jugendlichen zur Verfügung gestellt werden. „Gerne mit uns als Kunstpaten, wen das gewünscht wird“, sagt Franz Hartmann. Noch bis Fasching können sich interessierte Jugendliche bewerben.
Das Prinzip, leere Gebäude in Kunstflächen umzugestalten, hatte bereits die Aktion „Kunst geht Baden“ im Warmfreibad Greifenberg mit Erfolg praktiziert. Die ‚Innereien‘ der „Alten Wache“ unterscheiden sich massiv von den weiten Flächen des Warmbades: normale Zimmer, winzige Kabuffs, eine Wand ist schon durchbrochen, um die Enge durch eine lange Flurflucht zu ersetzen. An den Wänden stehen gerahmte Fotografien, Architekturmodelle auf Platten füllen andere Räume. „Wir wollen auch Bezug nehmen auf das, was wir vorfinden“, sagt Künstler Axel Wagner, schon bei „Kunst geht Baden“ einer der Organisatoren. Die Modelle stehenlassen, den Riss im Parkett „atmen lassen“, durch Kunst verfremden. „Es wird sicher niemand über den Riss stolpern“, grinst Wagner.
Der Greifenberger möchte mit einer dreiteiligen Arbeit verteilt auf drei Etagen in Bezug auf die Bedrohung des Friedens arbeiten, die Deutschlandfahne wird eine Rolle spielen. Janos Fischer, auch schon in Greifenberg mit dabei, wird seine Arbeit mit Text und Sprache in einer Installation weiterführen. Harry Sternberg vom Uttinger Raum B1 will in einer Videoinstallation mit Titel „missbrauchte Jugend“ die Thematik der am Kriegsende eingezogenen Jugendlichen aufgreifen.
Der künstlerische Leiter von „Kunst hält Wache“, Franz Hartmann, möchte zum Thema „erwartete Akzeptanz von präventiver Gewalt“ arbeiten. Zudem sollen 750 Friedensfahnen in der ganzen Stadt vier Wochen vor Ausstellungsbeginn auf das Projekt aufmerksam machen. Fahnen, aus denen der Issinger eine Skulptur gestalten möchte.
Man habe sich viele
Gebäude auf dem Gelände angeschaut, berichtet der Schirmherr des Projekts
Oberbürgermeister Mathias Neuner. Die seien aber zu gefährlich und deren
bedarfsmäßige Sicherung zu kostspielig. Eventuell könne die Nutzung des
Geländes als Kunstraum „zu Begehrlichkeiten bei anderen führen“, schmunzelt
Oberbürgermeister Mathias Neuner. Und wird sogleich bestätigt: Fotograf Bernd
Kittlinger – ebenfalls bei „Kunst hält Wache“ dabei und mit dem Fabrikgelände
bestens vertraut – bittet Neuner darum, Führungen durch die Gebäude anbieten zu
können. Eigentlich eine perfekte Ergänzung zur Kunstaktion.
Susanne Greiner