Süddeutsche Zeitung, Starnberg, Kultur, 6. Juli 2019
15 Uttinger Künstler locken mit erfrischenden Entdeckungen in ihre Ateliers
Von Katja Sebald, Utting
Ganz Utting war am vergangenen Wochenende von Badegästen besetzt. Ganz Utting? Nein! Einige unbeugsame Kulturinteressierte besuchten die Ateliers der 15 Künstlerinnen und Künstler, die ihre Türen öffneten, um Einblicke in ihr Schaffen zu gewähren. Wer sich trotz großer Hitze auf den Weg gemacht hatte, der durfte nicht nur Kunst direkt am Ort ihres Entstehens erleben, sondern auch ungewöhnliche Räume und verwunschene Gärten besichtigen. Und wer nicht dabei war, kann das Versäumte an diesem Wochenende nachholen: Die Ateliers sind noch am 6. und 7. Juli von 15 bis 20 Uhr geöffnet.
Sehenswert ist etwa das Jugendstilhäuschen an der Dießener Straße, in dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Elektrowart seines Amtes waltete. Angelika Böhm-Silberhorn kaufte es mit ihrem Mann vor einigen Jahren als Abbruchhaus und hat es in eine malerische Kunstgalerie verwandelt. Als Atelier dient es jedoch nicht, denn sie malt grundsätzlich im Freien oder an den Orten, die sie darstellen will: Ihre großzügig impressionistischen Bilder entstehen in alten Häusern oder in Barockkirchen, direkt am Sprungturm des Strandbads, auf der Straße beim Maibaumaufstellen oder zur Leonhardifahrt. Eine Erfrischung fürs Auge sind die großen Landschaftsbilder, die sie im vergangenen Winter mitten in einem tief verschneiten Wald malte.
Erfrischend sind auch die Fotografien, die Harry Sternberg in seinem kleinen Ausstellungsraum „B1“ am Bahnhof zeigt: „En passant“ heißt eine Serie, für die er ausschließlich mit dem Smartphone arbeitete. So entdeckte er im Vorübergehen bunte Sonnenschirme, die hinter dem verstaubten Fenster einer Bootshütte überwinterten, oder rote Gummistiefel, von ihrer Besitzerin samt Füßen auf dem Sitz eines Dampfers abgelegt. Die verchromten Hebel einer Kaffeemaschine können für ihn ebenso bildwürdig sein wie eine alte Badarmatur oder die Tastatur einer Schreibmaschine. Mal ist es der Kotflügel eines Autos, mal ein um einen Zaun geschlungenes Fahrradschloss, mal die leeren Sitzreihen eines Stadion: Jedes einzelne der kleinen Bilder ist wie der Anfang einer Geschichte.
Trine Pesch zeigt in ihrem Haus am Johann-Keller-Weg 6 ihre Filzgebilde: einen fünfbeinigen „Traumtänzer“, der dem Betrachter seine mit Mohnkapseln bestückten Fühler entgegenstreckt oder den „Grünen Elefanten“, dessen Ohren ebenfalls aus Samenkapseln bestehen. Fundstücke aus der Natur und Materialien wie Rohseide und Wolle fügt die Autodidaktin mit großem handwerklichen Geschick zu Kopfbedeckungen, Kleidungsstücken, Handtaschen, Halsketten oder zu auf bezaubernde Weise „nutzlosen“ Objekten.
Peter Dietz möchte mit seiner konzeptionellen Arbeit der Bilderflut unserer Zeit begegnen: Seit dreißig Jahren übermalt er jeden Abend mit weißer Farbe Zeichnungen, die tagsüber entstanden sind. So entstehen seine „Tableaux“: mit unzähligen Schichten aus Bleistiftspuren und lasierendem Farbauftrag bedeckte Holzplatten, an denen er bis zu fünf Jahre arbeitet. Allerdings fotografiert er jede Zeichnung, bevor er sie übermalt. Digital arrangiert er sie dann zu Collagen und unterlegt sie mit Kompositionen aus elektronischen Klängen. Sein Atelier befindet sich Im Gries 28.
Als Gäste beteiligen sich der Zeichner Michael Streitberger bei Dietz und Klaus Neizert im ehemaligen Schulhaus in Entraching an den Ateliertagen. Weitere Aussteller sind die Bildhauerin Meike von Arndt, die Textilkünstlerin Barbara Burger-Tanck, die Maler Martin Burger und Kathleen Canady, Svea Graf mit Fotos und Skulpturen und Papierkünstlerin Barbara Manns. Malerei präsentieren Christiane Noll und Stamatina Medrisch, Helmut Vizedum zeigt Fotos von Landschaften und Objekten.