Wenn Kunst baden geht

Wenn Kunst baden geht

Beitrag Deutschlandfunk Kultur von Tobias Krone
Beitrag hören
Podcast abonnieren

(Tobias Krone)

Die Installation „Akt im Schwimmreifen“ vom Künstler Matthias Rodach. (Tobias Krone)

Seit den 70-ern tobten hier die Kinder. Jetzt machen sich die Künstler über das Freibad in Greifenberg am Ammersee her. Mit der Freiluft-Schau „Kunst geht baden“ verabschieden die Kreativen die Badeanstalt, die einem Hotelbau weichen muss.

Die himmelblauen Becken sind leer bis auf ein paar Pfützen, auf den regennassen Wiesen rundherum kein Laut. Andreas Kloker und Janos Fischer stehen in der Wärmehalle des Warmbads Greifenberg und starren in die Leere.

„Das Warmbad ist deshalb im Grunde hier entstanden, weil hier ganz in der Nähe eine Molkerei war, und das Abwasser, das warme Wasser sollte hier verwendet werden. Nach ein paar Jahren wurde die Molkerei geschlossen und dann musste das umgebaut werden. Am Ende der Nahrungskette steht sozusagen die Kunst, zuerst die Molkerei, dann das Warmbad, und wenn alles zu Ende ist, kommt die Kunst und dann ist alles vorbei.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige jederzeit wieder deaktivieren.

Landrat soll im Freibad schwimmen gelernt haben

Und so genehmigte der Landrat, der als Kind hier schwimmen gelernt haben soll, den Künstlern die Aktion „Kunst geht baden“.

„Ja ja, das ist unglaublich. Denn erstens sind alle Funktionen gegeben, überall ist Strom, überall ist Wasser, Heizung ging noch. Alles ist in Betrieb und gleichzeitig darf man alles sozusagen auch beschädigen.“

Janos Fischers Augen blitzen auf bei diesem Gedanken. Öffentlichen Raum durch Kunst beschädigen, das klingt so gar nicht nach dem braven Oberbayern mit seinen blitzsauberen Hausfassaden. Auch Nuë Ammann ist darauf ziemlich stolz:
 
„Ich glaube, das ist das Image, das Bayern genießt, dass es da nicht unbedingt so ranzig oder so im Abbruchstil funktioniert. Aber ich denke, das ist ein Vorurteil. Also bei uns ist das genauso wie überall.“
 
Die Künstlerin erklimmt den Südhang der Liegewiese.

„So, hier stehen Sie jetzt vor meiner Arbeit. Man muss ein bisschen Bergsteigen. Die Arbeit heißt Lichtregen. Und besteht also aus 800 Spiegelchen, die ich alle aufgeklebt habe, auf Nägelchen, und die aus der Wiese herausgucken. Die Spiegel fangen eben das Licht, das Sonnenlicht im Idealfall. Und bringen damit den Himmel auf Erden.“

Aus der Wiese blinken die Spiegel wie Wassertropfen. Der Glanz schöner Schwimmbadtage.

„Es gibt ja auch so Erinnerungen an eine erste Liebe, an das erste Mal, wenn man jemand anderen berührt, so in der Pubertät. Das sind ja ganz wichtige und elementare Dinge, die einen in so ein paradiesisches Gefühl versetzen. Und deswegen, finde ich, hat so ein Freibad und diese Sommersituation immer mit etwas Himmlischem zu tun.“

Schaufensterpuppe im Bikini

Himmlische Erotik. Sie ist bei einigen Kunst-Interventionen in das Freibad zentral. Wie etwa bei Christof Genauths „Flirt XIX“. Er montierte die Köpfe der Duschen am Beckenrand so um, dass sie sich anschauen.

„Spielerei. Man hat zwei Duschen und lässt die miteinander flirten. So habe ich mir das zumindest gedacht.“

Initiator Axel Wagner platzierte daneben eine Schaufensterpuppe im Bikini auf meterhoch gestapelten Sonnenliegen. 

Das Bild zeigt die "Armduscher - Installation" von Axel Wagner im Rahmen der Freiluft-Schau "Kunst geht baden". (Tobias Krone)„Armduscher“ heißt diese Installation vom Initiator Axel Wagner (Tobias Krone)

„Gerade wir Männer kennen die Situation, dass diese unerreichbaren schönen Frauen meilenweit entfernt sind. Und das ist so ein Bild dafür und heißt ‚Prinzessin‘.“

Auch in den Katakomben des ehemaligen Warmbads haben sich die Künstler eingenistet, um dort ihren teils spleenigen Humor zu zelebrieren. Dirk Eckert etwa erläutert an seiner Wandinstallation im Wasserfilterungskeller die zoologischen Eigenheiten der Schwimmnudel.

„Das beginnt mit dem Larvenstadium der Schwimmnudel und geht über die ausgewachsene Schwimmnudel bis hin zur getöteten und gehäuteten Schwimmnudel, wie sie im Schwimmgebrauch heute noch üblich ist. Und das sind zwei Rekonstruktionen aus dem Silur und aus der Urzeit quasi.“

Kunststoff-Schwimmnudeln an die Mauer genagelt hier mit Gesicht versehen, mit Knubbelaugen und Zunge, dazu die Köpfe der vermeintlichen Urahnen in Jägermanier, liebevoll aus Holz gearbeitet. Seit sechs Wochen bastelt Eckert an seiner unterirdischen Galerie zwischen Chlorkessel und Warmwasserrohren herum.

„Und kaufen kann das keiner, weil das ja fest eingebaut ist. Das heißt also, es ist eigentlich totaler Wahnsinn, sowas zu machen. Ich weiß auch nicht genau, warum wir’s machen, aber es macht einfach unfassbar viel Spaß.“

Kindheitserinnerungen an die Freibad-Saison

Am ersten Mai reißt die Wolkendecke auf. Das Schwimmbad füllt sich mit Dutzenden Besuchern, vor allem aus der Umgebung. Kinder laufen über die Böden der Becken. Die Mittvierzigerin Cordula Schmied ist mit einer Freundin hier – und wird nostalgisch. 

„Ja, ich habe meine Kindheit hier verbracht, also ich wohne hier im Nachbarort. Und wir sind als Kinder hier hergefahren – mit den Fahrrädern, was eigentlich interessanter war als das ganze Freibad. Freischwimmer musste man halt machen, das war wichtig. Und der Kiosk da, das Eis, das war auch wichtig. Ich habe vorhin schon gesagt, da hinten haben sie sich immer zum Knutschen getroffen, da haben wir dann immer geguckt, das war lustig.“

Und was sagt sie dazu, dass jetzt Künstler das Bad übernommen haben?

„Kunst, ja, weiß ich nicht. Es sind ein paar lustige Sachen dabei.“

Eine andere Besucherin, ebenfalls aus dem Nachbardorf, will eigentlich nur, dass der neue Schwimmbadbau möglichst bald kommt. Und das mit der Kunst?

„Ich kann dazu nichts sagen, was das bedeutet. Ich tu‘ mich da schwer.“

Es riecht immer noch nach Seife

Nicht jeder hat im Freibad eine gute Zeit. Körper müssen sich hier dem Wettbewerb stellen – und auch mit Ablehnung zurechtkommen. Unter den Werken der 40 Kunstschaffenden beleuchten nur wenige auch die ausgrenzenden, übergriffigen Seiten des Freibadbesuchs – so wie Axel Wagners schwarze Handspuren auf den Fliesen der Herrendusche, ein Werk, das er mit „Scham“ übertitelt hat. Die Münchner Künstlerin Nana Dix verarbeitet in einer Filmcollage, die sie auf die Badewanne in der Hausmeisterwohnung projiziert, das Erlebnis, das sie am Flussufer der Isar hatte: Sie stieß dort auf eine menschliche Leiche. Eine verstörend-faszinierende Arbeit.

Das Ende eines Schwimmbads kann auch dafür stehen, dass das Leben seiner Besucher endlich ist. Der Fotokünstler Harry Sternberg, Jahrgang 1953, hat für seine Arbeit Fotografien der leeren Becken in der verdunkelten Damendusche aufgehängt. Es riecht hier immer noch nach Seife. Über die Töne aus den Lautsprechern begibt sich der Betrachter zusammen mit Sternberg auf die Suche nach der verlorenen Zeit: 
 
„Es ist halt schade, dass die Zeit rum ist. Schöne Tage. Da kriegt man das Gefühl noch mit. Die Sonne scheint, die Leute freuen sich. Und jetzt ist halt nichts mehr. Und irgendwann wird es ganz weg sein.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert